„Marktplätze und Plattformen stellen wichtige Bestandteile des Online-Handels dar“, so der Fokusgruppenvorsitzender Dr. Oliver Bohl (KfW Bankengruppe). Anfang Dezember entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber, wie viel Freiheit Händler in der Wahl des individuellen Vertriebskanals haben und was für rechtliche Grundlagen gelten.
Beschlossen wurde, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Markenhersteller seinen Abnehmern auf der Einzelhandelsstufe im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems verbieten darf, seine Produkte über Online-Marktplätze zu vertreiben. Die Debatte brachte das Unternehmen Coty Germany ins Rollen, als sein deutscher Vertriebspartner Parfümerie Akzente seine Produkte auch auf Online-Marktplätzen wie Amazon und Ebay verkauft hat. Da ihm das vertraglich untersagt war, verklagte Coty Germany den Händler in der Angst um das Luxusimage der Marken.
Luxusware auf Online-Marktplätzen wie Amazon und Ebay
Für Luxusprodukte reichen nicht allein die materiellen Eigenschaften aus um die Qualität zu gewähren. Auch der Prestigecharakter spielt eine wichtige Rolle. Er dient dazu eine eine luxuriöse Ausstrahlung zu erzeugen und sich von anderen Produkten auf dem Markt abzusetzen. Darum vertreibt Coty Germany seine Marken mithilfe eines selektiven Vertriebsnetzes. Die autorisierten Händler müssen dabei verschiedene Anforderungen erfüllen. Diese beziehen sich dabei auf die Umgebung, die Ausstattung und die Einrichtung in deren Verkaufsstätten. Die Kriterien bilden die Voraussetzungen um den Prestigecharakter und das Luxusimage zu wahren. So kann die Luxusware bestmöglich an die Kunden verkauft werden. Die autorisierten Händler dürfen die Waren zwar auch im E-Commerce anbieten, allerdings müssen auch online die gesetzten Anforderungen eingehalten werden. So kann der Händler die Luxuswaren in einem eigenen Online Shop anbieten. Sofern das als ein eigenes elektronisches Schaufenster dient. Oder über nicht autorisierte Marktplätze, die für den Käufer nicht als solche zu erkennen sind. Vertraglich untersagt ist der Verkauf über Online-Marktplätze die erkennbar für den Verbraucher in Erscheinung treten.
Der deutsche Vertriebspartner Parfümerie Akzente widersetzte sich diesen vertraglichen Bedingungen und stellte die Produkte auch auf Online-Marktplätzen wie Amazon und Ebay zum Kauf zur Verfügung. Daraufhin reichte das Unternehmen Coty Germany eine Klage ein, Sie forderten das Verbot die Produkte über diese Plattformen an die Kunden verkaufen zu dürfen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte Zweifel daran, ob selektive Vertriebssysteme zur Sicherstellung des Luxusimage und die damit verbundene Vertragsklausel, mit dem Wettbewerbsrecht der Union vereinbar ist. Deswegen hat es den Gerichtshof hierzu befragt.
Am 6. Dezember wurde schließlich das Urteil (C-230/16) gefällt. Der Gerichtshof stellte fest, dass selektive Vertriebssysteme für Luxuswaren nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Unter den Bedingungen, dass diese primär der Sicherstellung des Luxusimages der Waren dienen und:
- die Auswahl der Wiederverkäufer muss anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgen,
- diese Kriterien müssen für alle in Betracht kommenden Wiederverkäufer festgelegt werden,
- und ohne Diskriminierung angewendet werden,
- die festgelegten Kriterien dürfen nicht über das erforderliche Maße hinausgehen.
Plattformverbote nur in seltenen Ausnahmefällen zugelassen
Unklar bleibt die Definition des Begriffes "Luxus" und wie diese Kriterien festgelegt werden. Das lässt eine Menge Interpretationsspielraum zu. "Es gibt keine klare Definition von Luxus und damit ist einem möglichen Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Denn was die Marke als Luxus definiert und was nicht - liegt in ihrem Ermessen. Klarheit in diesem Fall lässt der EuGH leider vermissen", so Oliver Prothmann, Präsident des Verbandes Online Handel e.V.. Auch die Bundeszentrale befürchtet durch das Verbot Einschränkungen der Angebotsvielfalt. Das würde dann zum Nachteil aller Kunden ausfallen. Sollten sich noch andere Hersteller um das Image ihrer Marken sorgen und sich als Luxus definieren, könnten sie durch das Urteil auch dazu geleitet werden, keine Produkte mehr über die Marktplätze Amazon und Ebay zu verkaufen. Würde im E-Commerce auch der Vertrieb von Massenprodukten in Zukunft mit diesen Argumenten eingeschränkt werden, hat das nicht nur Folgen für Kunden, sondern viel mehr für den Handel. „Vor allem für kleinere Händler oder solche, die ihre Produkte in erster Linie im stationären Ladengeschäft anbieten, sind die Vertriebswege über die Marktplätze wie Amazon oder Ebay unverzichtbar und meist alternativlos.“, sagt Dr. Oliver Bohl. Aus der Grundsatzentscheidung des EuGHs geht jedoch hervor, dass eine pauschale Beschränkung, bestimmte Waren auch über Marktplätze und Plattformen anzubieten, unzulässig ist und ausschließlich mit objektiven und nachprüfbaren Kriterien eine Ausnahme für Luxusware gemacht werden kann. „Mit diesem Urteil setzt der EuGH ein wichtiges Zeichen für den Online Handel.", sagt Dr. Oliver Bohl.
Stefano Viani ist Geschäftsführer von Blackbit digital Commerce GmbH. Er ist immer up to date, was neueste Entwicklungen und Trends im E-Commerce und digitalen Marketing angeht. Seit Jahrzehnten ist er für große und mittelständische Unternehmen Berater für die technische, optische und werbliche Optimierung von Webauftritten. Dabei entwickelt er insbesondere Konzepte und Maßnahmen für ein erfolgreiches Absatzmarketing.
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